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Umsatzsteuerliche Behandlung dauerdefizitärer Tätigkeiten

Im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge erbringen juristische Personen des öffentlichen Rechts teilweise Leistungen, um die Grundversorgung ihrer Einwohner zu gewährleisten, welche bewusst nicht durch kostendeckende Entgelte gegenfinanziert werden. Hierzu gehört zum Beispiel neben dem Unterhalten des öffentlichen Personennahverkehrs auch das Betreiben von Freibädern. Solche zuschussfinanzierten, kommunalen Aktivitäten im öffentlichen Interesse standen zuletzt im Blickpunkt von zwei EuGH-Entscheidungen (Asbestbeseitigung auf dem Gemeindegebiet (C-616/21) bzw. der zuschussgeförderte Ausbau erneuerbarer Energien (C-612/21)), bei denen der EuGH die unionsrechtlichen Begriffe der „Lieferung und Dienstleistungen gegen Entgelt“ (Artikel 2 MwStSystRL), „wirtschaftliche Tätigkeit“ (Artikel 9 MwStSystRL) und „Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt“ (Artikel 13 MwStSystRL) auszulegen hatte.

Im Fall der Asbestbeseitigung (C-616/21) ließ die Gemeinde auf Antrag von berechtigten Personen eine Asbestsanierung in ihren Immobilien vornehmen. Die Leistung war für die entsprechenden Einwohner kostenlos. Die Gegenfinanzierung sollte durch die Inanspruchnahme von Zuschüssen aus dem landesweiten Förderfonds zur Asbestbeseitigung erfolgen, aus denen die Gemeinde Zuschüsse in Höhe von 40 % bis 100 % erwartete.

In dem anderen Fall (C-612/21) organisierte die Gemeinde den Ausbau erneuerbarer Energien für die ortsansässigen Einwohner, die den Wunsch geäußert hatten, mit Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien ausgestattet zu werden. Die Eigenbeteiligung der betreffenden Einwohner betrug 25 %. Für die restlichen 75 % erwartete die Gemeinde einen Zuschuss für die förderfähigen Kosten durch den zuständigen polnischen Verwaltungsbezirk.

Damit die Gemeinde als Steuerpflichtiger im Sinne der MwStSystRL handelt, hatte der EuGH in beiden Fällen zu beurteilen, ob es sich gemäß ständiger Rechtsprechung zum einen um eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung bzw. Leistung der Gemeinde an ihre Einwohner handelt und zum anderen die Leistung im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt.

Hierbei sah der EuGH das Problem jedoch nicht in der Entgeltlichkeit der Leistung, da es sich bei den erwarteten Zuschüssen um ein Entgelt von Dritter Seite handelt, selbst wenn dieses hinter dem Marktpreis zurückbleibt. Vielmehr verneinte er das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Einerseits fehle es hierzu an der Nachhaltigkeit, weil die Tätigkeit nicht auf Wiederholung angelegt war. Zum anderen hatten die Gemeinden nicht die Absicht ihre tatsächlich entstandenen Kosten zu decken. Der EuGH schlussfolgerte daraus, dass die Gemeinden von vornherein keinen Gewinn erwarten konnten, aber das Risiko des Verlustes tragen und auf den (teilweise ungewissen) Zuschuss warten mussten. Dies sei wirtschaftlich nicht tragbar und entspreche nicht der Vorgehensweise eines Unternehmers.

Während bisher im Rahmen der umsatzsteuerlichen Würdigung dauerdefizitärer Tätigkeiten lediglich die Zahlung rein symbolisches Entgelt und die damit einhergehende Asymmetrie zwischen Einnahmen und Kosten (= Kostendeckungsgrad) problembehaftet waren (BFH 22.06.2022 – XI R 35/19; Verpachtung eines Schwimmbades für 1 €) zieht der EuGH den Kreis der problematischen Fälle nun weiter. Es wird zukünftig vermehrt darauf zu achten sein, ob es sich bei den zu beurteilenden Betätigungen um ein markttypisches Unternehmerverhalten handelt. So werden beispielsweise die Umstände, unter denen die zu beurteilenden Dienstleistungen üblicherweise erbracht werden eine gewichtige Rolle spielen.

Bei der Würdigung der zwei EuGH Urteile gilt es jedoch zu beachten, dass die Entscheidungen wesentlich davon geprägt waren, dass die Gemeinden sich der Zahlung der Zuschüsse nicht vollständig sicher sein konnten und die Tätigkeiten nicht mit Wiederholungsabsicht betrieben wurden. Diese Merkmale werden in den meisten dauerdefizitären Tätigkeiten nicht zu problematisieren sein, so dass abzuwarten bleibt, ob die Entscheidungen insoweit auf diese Tätigkeiten übertragbar sind.

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